13.09.2022 ‐ Eventnachbericht

Ringen um Stabilität im Ausnahmezustand

Klare Worte zur Orientierung in der aktuellen Krise fanden zwei prominente Referenten anlässlich der Feier „100 Jahre Oberbank Devisenhandel“ im gut besuchten Donau-Forum.

Am Bild v.l.n.r.: Generaldirektor Dr. Franz Gasselsberger, KTM-Chef Stefan Pierer, Finanzminister Magnus Brunner, Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, Voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner, Foto: fotosisa

 

Oberbank als Türöffner für weltweite Expansionen

Gastgeber Franz Gasselsberger verwies auf die besondere Rolle der Oberbank am dynamischen Wirtschaftsstandort Oberösterreich: „Schon vor 100 Jahren haben unsere Führungskräfte den Weg ins internationale Geschäft eröffnet. Wir gelten bei exportorientierten Kunden als die erste Adresse und belegen bei Finanzierungen aus dem ERP-Fonds mit 22 Prozent Marktanteil Platz 1. Als unabhängige Bank mit eigenem Treasury können wir unsere regionale Industrieregion bestmöglich unterstützen.“

Der Oberbank-Manager zeigte großes Verständnis angesichts der hohen Inflation für die Hilfen an private Haushalte. Er forderte aber auch dringend Unterstützungsmaßnahmen für die Betriebe, für die die gegenwärtigen hohen Energiepreise existenzgefährdend seien.

 

Vorrangige Aufgaben von EZB und Staaten

Magnus Brunner, Bundesminister für Finanzen, betonte, dass die Pandemie aus wirtschaftlicher Sicht gut gemeistert wurde. Allerdings habe nun die gesamte Weltwirtschaft wegen des russischen Angriffskrieges, unterbrochener Lieferketten und stark gestiegener Energiepreise extreme Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Die Europäische Zentralbank trat bei der Inflationsbekämpfung lange zu unentschlossen auf. Sie müsse vor allem mit klarem und selbstbewusstem Auftreten Vorbildwirkung ausstrahlen.

Die Nationalstaaten seien verpflichtet, mit schnellen, unbürokratischen Unterstützungsmaßnahmen den bedrohten Wohlstand zu sichern. Österreich habe in einem ersten Schritt zwei Pakete mit einem Umfang von 4 Milliarden Euro geschnürt und senkte dabei die Energieabgaben um 90 Prozent. Das dritte Paket beinhalte 28 Milliarden mit direkten Zahlungen, aber vor allem auch die Abschaffung der kalten Progression. Die rasche Umsetzung habe momentan vor der Treffsicherheit Vorrang. Mittel- bis langfristig solle aber wieder der Fokus auf einer nachhaltigen Budget- und Fiskalpolitik liegen. In der derzeitigen Ausnahmesituation seien, so Brunner, Eingriffe in die Märkte notwendig, eine Strom- und Gaspreisdeckelung sei aber nur europaweit sinnvoll. Nicht alles lasse sich aber in der Krise kompensieren.

 

Trüber Ausblick mit Hoffnungsschimmer

Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, spürte der Frage nach: Ist die Rezession in Österreich vermeidbar? Die Industriekonjunktur lahme weltweit, wobei die breite Abschwächung erst 2023 erfolgen werde. Trotz hoher Energiepreise kam es im ersten Halbjahr 2022 zu einem Aufschwung. Es zeige sich aber, dass der Post-Corona-Boom abebbe. Seit vier Monaten sei auch eine deutliche Stimmungseintrübung bei den Unternehmen zu beobachten. Nächstes Jahr sehen sie sich gezwungen, die gestiegenen Produzentenpreise an die Konsumenten weiterzugeben. Auch derzeit sei schon wegen der Inflation ein Reallohnverlust wirksam, der die Konjunktur einbremse. Ein guter Schritt dagegen stelle das Ende der kalten Progression dar, das das WIFO schon seit Längerem fordere. Felbermayr zeichnete unter anderem Szenarien bei einem – leider realistischen – versiegenden Gasfluss aus Russland. Ersatz bieten alternative Lieferquellen und andere Energieformen, weiters müssten Industrie und private Haushalte Einsparungen vornehmen. Der Gasmangel würde dennoch 29 Prozent ausmachen und zu einer heftigen Industrierezession führen. Das hätte zur Folge, dass eine effiziente Rationierung vorzunehmen sei.

 

Abschließender Talk

In einem abrundenden Podiumsgespräch stellten sich Felbermayr und Robert Musner, Abteilungsleiter Treasury & Handel der Oberbank, brisanten Fragen des Moderators Dietmar Mascher, Ressortleiter Wirtschaft des Event-Partners OÖ Nachrichten. Unter anderem sei für Felbermayr zwar ein Ende der Preissteigerungen abzusehen, langfristig bereiten allerdings der Personalmangel wegen des demografischen Wandels und auch die nachlassende Innovationsfähigkeit Europas Probleme. Musner wiederum hielt die Zinserhöhungen der EZB für nicht inflationsbremsend, nur ein Rückgang der Wirtschaftsleistungen und ein Nachlassen der Nachfrage werde die Inflation senken. Felbermayr prognostizierte eine Rezession mit einhergehendem Anstieg der Arbeitslosenzahlen und geringeren Staatseinnahmen. Diese sei aber noch das geringere Übel als anhaltende Preissteigerungen. Musner zeigte sich dennoch angesichts der unerschöpflichen Innovationslust und –kraft der heimischen Unternehmen optimistisch für die Zukunft.