27.05.2022 ‐ Presse

Es ist ein Mythos, dass man Banken nicht mehr braucht.

Als Chef der börsennotierten Oberbank sieht Generaldirektor Dr. Franz Gasselsberger die Zukunft vor allem in einem selbstbestimmten Wachstum.

 

Quelle: CHEFINFO, 04/2022

Foto: Peter Rigaud, 2020

 

Zwanzig Jahre an der Spitze einer Bank: Das macht Franz Gasselsberger, Marathonmann und Bergsteiger, in Österreich zumindest nicht so schnell einer nach. Digitalisierung, Beratung und Nachhaltigkeit? Alles wichtig für den 63-jährigen Oberbänker. Aber sein Zukunftsthema ist die Unabhängigkeit – auch vor dem Hintergrund des erbitterten Rechtsstreits mit der Bank Austria. Das zur italienischen UniCredit gehörende Institut prozessiert gegen die 3-Banken-Gruppe, deren Teil die Oberbank ist, um mehr Einfluss. Gasselsberger fürchtet den Griff nach der Macht, was die UniCredit abstreitet.

Nur wenn wir unabhängig sind, können wir Entscheidungen für die Region in der Region treffen und können selbstbestimmt unsere Strategie verfolgen. Wir können entscheiden, wann, wo und wie intensiv wir expandieren und wachsen.“

CHEFINFO: Herr Gasselsberger, Sie sind der am längsten dienende Vorstandschef einer Bank in Österreich. Wie hat sich das Banking verändert?

Gasselsberger: So einen Veränderungsprozess wie in den letzten zwei, drei Jahren habe ich noch nicht erlebt. In der internen und externen Wahrnehmung ist das Thema Digitalisierung bei den Banken aber durch. Es ist vom Thema Nachhaltigkeit abgelöst, um nicht zu sagen, überholt worden. Es wird bei der Digitalisierung zweifellos noch zu weiteren Anpassungen und Verbesserungen kommen, aber die ganz großen Schritte der Umsetzung sind erfolgt.

 

Haben Sie keine Angst vor den FinTechs, die den Banken das Geschäft abgraben?

Um die FinTechs ist es sehr ruhig geworden. Ich möchte auch kein Geld persönlich in FinTechs investiert haben. Was nicht heißt, dass sie nicht eine wichtige Funktion in der Weiterentwicklung des Bankgeschäfts hatten. Sie sind aber von der Anpassungsfähigkeit und Dynamik der Banken überholt worden. Denn Banken bringen etwas ein, das die FinTechs nicht haben: Beratung. Es ist ein Mythos, dass man Banken nicht mehr braucht. Die hohe Wertschöpfung der Banken liegt in all jenen Bereichen, die mit Beratung verbunden sind. Denken Sie nur an das Thema Private Banking. In dieser unsicheren und volatilen Kapitalmarktlage ist das Bedürfnis der Kunden, mit einer Person ihres Vertrauens zu sprechen, unglaublich groß.

 

Brauchen Banken neue Geschäftsmodelle?

Nicht unbedingt neu, aber auch Banken müssen permanent ihr Geschäftsmodell den sich rasch ändernden Rahmenbedingungen anpassen. Wo wir neue Wege beschreiten müssen, ist alles rund um die Nachhaltigkeit. Das ist auch in der Strategie 2025 in der Oberbank ganz prominent und tief verankert.

 

Warum wird Nachhaltigkeit so wichtig für Banken?

Man kann sich diesem Thema nicht entziehen. Der Kapitalmarkt hat es von uns verlangt, die Regulatoren, die Öffentlichkeit, es sind die Kunden, die Konsumenten und die Mitarbeiter. Dann hat man auch an sich selbst einen hohen moralischen Anspruch als Unternehmensvertreter, einen Beitrag zu leisten, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

 

Sie erwähnen die Unabhängigkeit als Wert. Kann es Kunden nicht egal sein, woher das Geld kommt?

Es macht einen riesigen Unterschied, ob Kunden Entscheidungsträger greifbar in ihrer Nähe haben und von Kernkompetenzen, die in der Oberbank entwickelt wurden, Vorteile erzielen. Auch Aktionäre profitieren von der wachstumsorientierten Politik, Kursentwicklung und nachhaltigen Dividendenpolitik. Und Mitarbeiter wissen, dass sie in der Oberbank kraft ihrer eigenen Leistung alles erreichen können. Unsere Sozialleistungen zählen zu den besten unter den Banken und wir haben auch ein eigenes Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, für das wir jährlich 13 Millionen Euro aufwenden. Das erhöht die Identifikation mit dem Unternehmen und lässt die Mitarbeiter am unternehmerischen Erfolg partizipieren. Glauben Sie wirklich, all das wäre möglich, wenn wir nicht unabhängig, sondern Teil eines Großkonzerns wären, wo es um Ertrags- und Gewinnmaximierung geht?