09.02.2023 ‐ Presse

Die aktuelle Inflation liegt laut Schnellschätzung bei mehr als elf Prozent

Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger kritisiert im Interview mit BezirksRundSchau-Chefredakteur Thomas Winkler die "Gießkannenförderung" des Bundes als Grund für die hohe Inflation in Österreich im Vergleich zum Rest Europas. Er habe "das Wort Rezession aus dem Sprachschatz gestrichen" und gehe für heuer von rund einem Prozent Wirtschaftswachstum aus.

 

Quelle: Mein Bezirk, 09.02.2023

Foto: Oberbank/ Foto Lui

 

BezirksRundSchau: Die aktuelle Inflation liegt laut Schnellschätzung bei mehr als elf Prozent. Wann ist mit einer Entspannung zu rechnen?
Gasselsberger: Ich bin optimistisch, dass die Inflation auch in Österreich nach unten geht. Die von der EZB angestrebten zwei Prozent Inflation sind jedoch unrealistisch. Drei bis vier Prozent wären der Idealfall, weil das auf eine starke Wirtschaft hindeutet. Aber warum die Inflation in Österreich höher ist, als im Rest Europas, liegt in der Verantwortung der Politik. Die Gießkannenförderungen für alle fließen in den Konsum und bedingen, dass eine stimulierte Nachfrage auf ein immer noch schwaches Angebot trifft. Und das ist inflationsbeschleunigend. Förderungen sollten endlich nur mehr sozial Bedürftigen zu Gute kommen. Der Staat soll endlich aufhören, sämtliche Österreicher für hilfsbedürftig zu erklären!

 

Die EU ging im November von nur 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum für Österreich aus. Deuten die aktuellen Signale nicht auf eine etwas besser Entwicklung hin?
Im Herbst wurde von den Wirtschaftsforschern das Rezessionsgespenst verbreitet. Aber auch durch die Ausgaben der öffentlichen Hand ist kein Katastrophenszenario eingetreten. Wir haben auf Basis unserer Befragungen immer konstatiert, dass die Unternehmen robust sind. Das war kein Zweckoptimismus. Ich habe das Wort Rezession aus meinem Sprachschatz gestrichen, auch wenn manche Branchen derzeit mit starken Rückgängen konfrontiert sind, etwa die Baubranche. Ich glaube, dass wir heuer vielleicht rund ein Prozent Wirtschaftswachstum erreichen können.

 

Wohnbau legt im 2. Quartal wieder zu

Die Baubranche leidet ja auch unter den strengen Kreditregularien, denen jetzt zumindest etwas die Giftzähne gezogen werden sollen, indem bestehende Eigenheime zumindest wieder teilweise als Eigenkapital angerechnet werden dürfen – ebenso Zuschüsse der Länder als Eigenkapital– reicht das?
Die neuen Kreditregularien wurden von vielen Banken als Begründung für den Einbruch im Wohnbaugeschäft dargestellt. Der Rückgang im Wohnbaugeschäft ergibt sich einfach durch die schlechte Stimmung, die gestiegenen Zinsen, die hohen Immobilienpreise. Das geht sich alles nicht mehr aus. Ich bin der Meinung, dass der Boom dieser Finanzierungsart mit ungeheuren Wachstumsraten vorbei ist. Ich bin aber optimistisch, dass wir im zweiten Quartal wieder ein Wachstum bei den Wohnbaufinanzierungen sehen – dank hoher Lohnabschlüsse und einer Stabilisierung der Preise. Die Leute haben ja nicht aufgehört, sich Häuser oder eine Wohnung zu wünschen.

 

Zu den gestiegenen Zinsen: Die EZB hat jüngst den Leitzins auf drei Prozent erhöht, wie weit wird sie noch gehen?
Die EZB hat nochmals weitere 0,5 Prozent auf dann 3,5 Prozent angekündigt. Und es könnte laut Kommunikation der EZB noch weitergehen. Aber eine Erhöhung auf 4 Prozent sähe ich nicht gerechtfertigt. Die EZB wird jetzt einmal evaluieren und aufpassen, dass sie es nicht übertreibt nach der langen Inaktivität. Diese Maßnahmen entfalten ihre Wirkung ja erst nach sechs bis zehn Monaten. Dass die Maßnahmen wirken, sieht man daran, dass die langfristigen Zinsen gegenüber den Höchstständen bereits deutlich gesunken sind.

 

Anleihen wieder hoch attraktiv

Was bedeutet die momentane Entwicklung für Anleger und Kreditnehmer?
Anleger haben wieder ein gewaltig breit gewordenes Spektrum an Möglichkeiten – und auch für kurzfristige Bindung gibt es wieder Zinsen. Eine Kategorie erfreut sich wieder besonders hoher Attraktivität: Anleihen, das hat es zehn Jahre lang so nicht gegeben. Was die Kreditnehmer betrifft: Euribor-gebundene Kredite sind wieder teurer geworden. Da bewährt sich, dass wir in der Wohnbaufinanzierung immer einen sehr konservativen Ansatz hatten.

 

Zur Oberbank: Wie stellt sich das Unternehmen in der aktuellen Situation auf, wie soll es sich weiterentwickeln?
Wir haben unseren sehr ertragsorientierten und auf Wachstum ausgerichteten Kurs nie verlassen. Wir achten auf starke Eigenmittel, das Ziel sind 18 Prozent Kernkapital. Diese Kennzahl drückt aus, welches Wachstum im Kreditbereich bewältigbar ist und welche Risikotragfähigkeit vorhanden ist. Wir sind eine der bestkapitalisierten Banken Europas, eine der bestgerateten Österreichs. Diesen Weg wollen wir auch unter den geänderten Rahmenbedingungen fortsetzen.

 

Engagement in Ungarn steht außer Frage

Die Oberbank ist ja auch in Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn unterwegs. In Ungarn hat die Regierung zuletzt Übergewinnsteuern und Obergrenzen für Kreditzinsen eingeführt, die nur nicht-ungarische Unternehmen treffen.
Das Engagement in Ungarn steht außer Frage, auch wenn die ungarische Politik gegenüber nicht-ungarischen Unternehmen nicht angenehm ist. Aber das macht niedrige einstellige Millionen-Beträge aus. Insgesamt sind wir im Ausland gut aufgestellt. In andere Länder Osteuropas werden wir nicht gehen. Wachsen werden wir weiterhin in Deutschland, wo wir in zehn Bundesländern bereits mit 50 Filialen vertreten und eine gefragte Adresse sind.

 

Frau im Vorstand stünde Oberbank gut an

Die Oberbank war mit einer fixen Frauenquote in Führungspositionen Vorreiter – nur im Vorstand fehlt noch eine Frau.
Das entscheidet der Aufsichtsrat, aber eine Frau im Vorstand würde der Oberbank gut anstehen. Vor vier bis fünf Jahren hatten wir 19 Prozent Frauenquote in Führungspositionen, jetzt sind es 27 Prozent. Das soll uns erst mal wer nachmachen. Das Ziel bis 2025 sind 30 Prozent.

 

Für Banken ist das Thema "Nachhaltigkeit" ja inzwischen eine Selbstverständlichkeit – aber was heißt Nachhaltigkeit im Bankwesen konkret?
Die Banken werden von der Aufsicht instrumentalisiert oder angehalten, dass Kredite, die sie vergeben, das Geschäftsmodell der Kunden in Richtung Nachhaltigkeit verändern. Das ist ein steiniger Weg. Die großen Unternehmen sind da schon sehr weit, die mittleren auch bereits sensibilisiert. Wir machen derzeit mit 6000 Kunden eine Bestandsaufnahme. Nachhaltigkeit ist mehr, als nur E-Autos für die Mitarbeiter anzuschaffen oder eine Photovoltaik-Anlage. Was uns dabei fordert: Die Regularien, die immer weiter verschärft werden, sind kaum noch managebar – und das nimmt oft die Motivation. 

 

Wie sehen Sie die politischen Schritte in Hinblick auf die Energiewende?
Die Umstellung geht nicht schnell genug – und worüber ich sehr sauer bin: Die Bundesregierung hat einen Transformationsfonds in der Höhe von sechs Milliarden Euro für die heimischen Unternehmen angekündigt. Das verantwortliche Ministerium hat aber bis jetzt nichts konkretisiert. Wir tappen im Dunkeln, es fehlt an Klarstellungen: Was bekomme ich wofür? Es gibt keine klaren Förderbestimmungen.

 

Vertrag bis 2027 – "that's it"

Sie stehen seit 20 Jahren an der Spitze der Oberbank - wie sehen Ihre Pläne aus?
Ich bin bereits jetzt einer der längstdienenden Bankvorstandschefs in Europa. Dafür braucht es Kraft, Anspannung, Freude und Energie. Ich bin ein großer Vorbereiter, dann wird man möglichst wenig überrascht. Ich habe Klarheit durch einen Fünfjahres-Vertrag bis 2027, that's it.

 

Und danach kommen neue Marathonbestzeiten und neue Gipfelerfolge?
Ich habe fünf Enkel, viele Hobbys, gehe Hochgebirgstouren, bin Hobbyforstwirt, gehe gern mit der Motorsäge ins Holz ...