25 Jahre Europäische Zentralbank
Vor 25 Jahren wurde die EZB gegründet. Es handelte sich um ein mutiges Unterfangen – nirgendwo auf der Welt hatte eine Notenbank so viele unterschiedliche Mitgliedstaaten. Das primäre Ziel der EZB ist es, mittelfristig die Inflationsrate im Euroraum bei 2 % zu halten. Von diesem Ziel ist sie aktuell mit 7 % weit entfernt. Bedeutet dies aber, dass die gemeinsame Geldpolitik der EZB versagt?
Vor 25 Jahren, am 1. Juni 1998, wurde die Europäische Zentralbank (EZB) gegründet.
Von den sieben Institutionen der Europäischen Union ist sie die jüngste, wie auch unter den Zentralbanken aller größeren Industrieländer. Zum Vergleich: Die schwedische Riksbank als älteste bestehende Zentralbank wurde im Jahr 1668 gegründet, die Bank of England 1694. Trotzdem handelte es sich vor 25 Jahren um ein mutiges Unterfangen – nirgendwo auf der Welt hatte eine Notenbank so viele unterschiedliche Mitgliedstaaten wie die EZB (Westafrikanische Zentralbank, Zentralafrikanische Zentralbank und Eastern Caribbean Central Bank sind auch für mehrere Länder zuständig, aber die Wirtschaftsräume sind viel kleiner).
Kritiker hielten wenig vom Projekt der europäischen Gemeinschaftswährung mit gemeinsamer Geldpolitik bei unterschiedlicher Finanzpolitik und prognostizierten dem Eurosystem kein langes Leben. Die damals elf Mitgliedstaaten, welche 1999 die Eurozone bildeten, wiesen ganz unterschiedliche Wirtschaftsleistungen und wirtschaftspolitische Prioritäten auf. Erwartungsgemäß hat es die EZB bisher nicht geschafft, die Differenzen im Wohlstand unter den einzelnen Euroraum-Ländern auszugleichen. Sie konnte aber die Inflation in allen Mitgliedstaaten im Zaum halten – bis vor einem Jahr, als externe Faktoren wie Lieferkettenprobleme im Zuge der COVID-19-Pandemie und der Ukraine-Krieg und die damit einhergehende Explosion der Energiekosten zu einem sprunghaften Anstieg des Preisniveaus geführt haben - nicht nur in Europa.
Der Chart zeigt die Inflationsraten in der EU im April 2023. Das primäre Ziel der EZB ist es, mittelfristig die Inflationsrate im Euroraum (bestehend seit dem Beitritt Kroatiens am Jahresbeginn aus 20 Staaten – blaue Balken) bei 2 % zu halten. Von diesem Ziel ist sie aktuell mit 7 % weit entfernt. Selbst wenn eine konsequent restriktive Geldpolitik mit weiteren Zinserhöhungen die Inflation in der Eurozone nächstes Jahr in den Zielbereich bringen würde, zeigen die ganz unterschiedlich hohen Balken, dass das Ziel in einigen Ländern unterschritten werden müsste, während die Inflationsraten in anderen Teilen der Eurozone wahrscheinlich deutlich über 2 % verharren würden.
Quelle: Eurostat
Bedeutet dies aber, dass die gemeinsame Geldpolitik der EZB versagt? Nicht unbedingt. Im Chart fällt auf, dass die grünen Balken (EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums) überdurchschnittlich hoch sind. Mit der mit Abstand höchsten Inflation hat Ungarn zu kämpfen – ein Land mit einer autonomen Geldpolitik und einer Regierung, die nicht gerade eine tiefere Integration in die EU anstrebt. Auch Tschechien gehört zu den EU-Staaten mit der höchsten Inflationsrate, obwohl die Tschechische Nationalbank als eine der bestfunktionierenden Notenbanken gilt. Innerhalb der Eurozone ist die Teuerung am schnellsten in den baltischen Staaten und in der Slowakei. Wenn diese Staaten ihre Währungen beibehalten hätten, wären die Leitzinsen dort jetzt wahrscheinlich viel höher als der Hauptrefinanzierungs-Zinssatz der EZB (derzeit 3,75 %). Aber wäre die Inflation niedriger? Die vier Länder sind alle deutlich kleiner als Ungarn oder Tschechien und sind direkte Nachbarn von Russland oder der Ukraine. Wahrscheinlich hätten ihre Währungen infolge des Krieges deutlich abgewertet. Das hätte in den kleinen offenen Volkswirtschaften sofort einen Inflationsschub ausgelöst, auf den die Zentralbanken mit massiven Zinserhöhungen reagieren müssten. Kaum könnten sie aber dadurch die Inflation in die Nähe des Zielwertes senken – die Ungarische Nationalbank hat doch den wichtigsten Zinssatz bis auf 18 % erhöht (und erst kürzlich auf 17 % gesenkt).
Die Eurozone erfüllt offensichtlich nicht alle Kriterien eines optimalen Währungsraumes, vor allem angesichts der beschränkten Arbeitskräfte-Mobilität. Trotzdem finden wir die Währungsunion in der EU sinnvoll und sind überzeugt, dass die EZB die aktuelle Inflationswelle überleben wird. Sie ist die zweitgrößte Zentralbank der Welt und der Euro die zweitwichtigste Reservewährung. Wir glauben nicht, dass der US-Dollar in absehbarer Zeit den Status der globalen Leitwährung verlieren wird; aber sollte es passieren, wäre der Euro der einzige vorstellbare Nachfolger. Damit die EZB glaubwürdig bleibt, muss sie jetzt weiterhin restriktiv agieren, auch wenn sie dadurch in dem einen oder anderen Land eine Rezession auslösen könnte. Wir erwarten in diesem Zyklus noch zwei Zinserhöhungen jeweils um 25 Basispunkte. Gleichzeitig müssen wir damit rechnen, dass die Zentralbank für 20 Mitgliedstaaten arbeitet und in den meisten dieser Länder die Inflationsrate noch länger über 2 % liegen wird.
Adam Riha
Treasury und Handel, Oberbank AG
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