Demokratie weltweit zum Durchbruch verhelfen
Zwei namhafte Referenten propagierten anlässlich des Tages der Deutschen Einheit im Oberbank Donau-Forum demokratische Werte als wirksamstes Krisenmittel.
Bekenntnis zu Linz und Oberösterreich
Zu Beginn entlockte Moderatorin Christine Haiden den Lokalmatadoren Klaus Luger, Bürgermeister von Linz und Wolfgang Hattmannsdorfer, Landesrat der OÖ Landesregierung, kurze Statements zu Stadt und Land. Luger beschrieb die Landeshauptstadt als eine Kommune, die sich zu einer beachtlichen Wirtschaftsgröße, vor allem zum IT-Zentrum Österreichs transformiert habe. Er erkenne auch einen starken Schulterschluss von Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft, Intellektuellen und Kulturschaffenden.
Hattmannsdorfer wurde mit der kniffligen Frage konfrontiert, welche Tugenden unser Bundesland von Deutschland übernehmen könne. Er sehe, so seine Antwort, als Vorbild die Klarheit in der Sprache und in der Kommunikation mit den BürgerInnen, die Nüchternheit und Unaufgeregtheit von Regierenden und Opposition. Er zeigte sich auch dankbar, dass der Tag der Deutschen Einheit in Hinblick auf unsere enge wirtschaftliche Verzahnung mit dem großen Nachbarn im Donau-Forum eine angemessene Bühne erhalte.
Im Bild v.l.n.r.: Wolfgang Hattmannsdorfer, Christine Haiden, Franz Gasselsberger, Michael Klor-Berchtold, Julian Nida-Rümelin, Klaus Luger, Foto: Eric Krügl
Ehrentag mit Sorgenfalten
Generaldirektor Franz Gasselsberger, der heuer sein 15-Jahres-Jubiläum als deutscher Honorarkonsul feiert, wies darauf hin, dass die deutsche Wiedervereinigung von einer breiten Bürgerbewegung und deren rationalen Argumenten sowie Hartnäckigkeit ihren Ausgang nahm. Heute vermisse er eine entsprechende faktenbasierte Diskussionsgrundlage und auch den Respekt vor dem Anderen. Diese Sorge teile er mit den Wissenschaftlern des „Club of Rome“, die die „zunehmende kollektive Unfähigkeit einer immer größeren werdenden Masse von Menschen, Fakten von Fiktion zu unterscheiden“, kritisierten. Daher seine Warnung: „Wenn es uns nicht gelingt, auf den Boden der Fakten und der Vernunft zurückzukommen, ist unsere liberale Demokratie in Gefahr.“
Solidarität gefragt
Michael Klor-Berchtold, neuer Botschafter Deutschlands in Österreich, umriss bei seinem ersten Linz-Besuch die Position seines Landes angesichts des russischen Angriffskriegs: Nicht das Recht des Stärkeren zähle, sondern die Stärke des Rechts. Neben der Unterstützung für die Ukraine sei es wichtig, mit den Nachbarn Lösungen zu erarbeiten und aufeinander abzustimmen. Sein Staat setze dabei auf die Stärke Österreichs, das in der Vergangenheit eine bedeutende Vermittlerrolle zwischen Ost und West eingenommen habe.
Aussichten in der aktuellen Zeitenwende
Julian Nida-Rümelin, Philosoph und deutscher Staatsminister a.D., führte durch die Geschichte mit markanten Beispielen für Zeitenwenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich im Westen eine regelbasierte liberale Demokratiekultur unter der Führung der USA, die eine Vision einer neuen internationalen Ordnung vorweisen konnte. Eine weitere Säule zur Befriedung der Welt bildeten die Menschenrechte. Nach der Kubakrise, in der die Welt knapp an einem Atomkrieg vorbeischlitterte, bestimmte der Abbau von Spannungen zwischen der stalinistischen Diktatur und westlicher Demokratien das globale Geschehen. Die aktuelle Zeitenwende, der es bisher noch an Visionen mangle, lasse eine Reihe möglicher Szenarien offen: Einen Rückfall in alte Frontstellungen — des Westens gegenüber einem neuen Ostblock mit China, einer totalitären Diktatur, und Russland, das sich wieder die Verhältnisse vor 1989 zurücksehne. Man solle sich aber nicht täuschen: Auch die USA sei revisionistisch ausgerichtet und akzeptiere keine internationale Rechtsordnung. Ebenso sei ein neuer Eiserner Vorhang mitten durch die Ukraine denkbar. Eine optimistische Prognose wiederum lasse die Hoffnung auf eine Liberalisierung in Russland, China oder im Iran sprießen.
Deutschland als einer der führenden Wirtschaftsmächte halte der Key-Note-Speaker für schlecht beraten, nur mit Demokratien Handel zu treiben — das könnte sogar Hungersnöte in manchen Regionen verursachen. Stattdessen würde ein sich global erstreckender Handel zu einer multipolaren Welt führen, in der sich Demokratien entwickeln. Überhaupt sollten wir eine Zivilkultur als Vorbild und Lebensform anstreben, die die Demokratie trägt und in der die Gesetzgebung eingebunden ist.
In der abschließenden Talkrunde erwarteten die Referenten in ihrem Schlusswort, auf europäische Ebene Selbstbewusstsein und Stärke zu zeigen und empfahlen einmal mehr, eng zusammenzuarbeiten, um die gegenwärtige Krise so schnell wie möglich zu beenden.