Erfolgreiche Unternehmensübergabe

Die professionelle Unternehmerfamilie als Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Unternehmensübergabe

 

Wenige Themen sind so emotional behaftet wie die Übergabe von Familienunternehmen an die nächste Generation. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass die Familie es meist über Generationen verabsäumt hat, ihre Rolle als professionelle Unternehmerfamilie zu definieren. Zu stark sind die emotionalen Verflechtungen in den klassischen Rollen Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Enkel, Cousin usw. Unser klassisches Rollendenken wird zum (unternehmerischen) Problem.

Dieser Artikel beschäftigt sich damit, wie es der Familie gelingt zur professionellen Unternehmerfamilie zu werden und über diese Neudefinition eines Systems zu einer, allen Stakeholdern entsprechenden, und zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.

 

Rechtliche und steuerliche Fragen

Die meisten ÜbergeberInnen von Unternehmensanteilen, aber auch anderer Asset-Klassen, holen sich Beratung in erster Linie zur Erstellung einer rechtlich und steuerlich optimalen Strukturierung ihrer Nachfolgeplanung. Diese Vorgehensweise ist wichtig und eine entsprechende Strukturierung bildet dabei einen wesentlichen Bestandteil.

 

In Anbetracht der Rechtslage in Österreich, welche dem/der ÜbergeberIn im Rahmen der Privatautonomie ein breites Spektrum an Strukturierungsmöglichkeiten bietet und der Tatsache, dass es derzeit keine Schenkungs- und Erbschaftssteuer gibt, sind zumeist unterschiedliche Strukturen darstellbar, die eine solide Übergabe von Vermögen ermöglichen. Zu Bedenken bleibt natürlich regelmäßig das in Österreich bestehende Pflichtteilsrecht und die mit diesem einhergehenden Einschränkungen.

 

Die wahren Entscheidungsschwierigkeiten kommen zumeist jedoch erst dann zutage, wenn man als ÜbergeberIn die gefundene Strukturierung mit den Rollen der zukünftigen AnteilseigentümerInnen, sonstigen Vermögens ausfüllen soll.
Fragen wie „Wer soll das Unternehmen operativ leiten?“, „Wer folgt in den Aufsichts- oder Beirat?“, „Wie schütze ich das zu übergebende Vermögen vor Verschleuderung?“, aber auch sehr emotionale Fragen wie „Will ich das meinen Kindern antun?“ beschäftigen den/die VermögensübergeberIn und schaffen oftmals eine, subjektiv betrachtet, nicht zu überwindende Barriere, die zu einem Stillstand hinsichtlich der finalen Entscheidung führen kann.

Fotoquelle: Schindler Attorneys
 

Mag. Daniela Steiner

Rechtsanwältin, Systemische Beraterin, Mediatorin iAuS

Strukturierter Lösungsprozess

Die gute Nachricht ist, dass es im Rahmen einer systemisch-lösungsorientierten (Rechts-)Beratung oftmals verhältnismäßig rasch gelingt, diese Entscheidungshemmung zu überwinden. Im Folgenden soll nun in Form eines kurzen (beispielhaften) Umrisses der einzelnen Stufen eines strukturierten (Gesprächs-) Prozesses dargestellt werden, welche Schritte im Rahmen einer solchen Beratung durchzuführen sind und welche Grundvoraussetzung die Familienmitglieder mitzubringen haben.

 

Unternehmensfamilie

 

Eine wesentliche Voraussetzung ist zunächst einmal die Bereitschaft des Übergebers/der Übergeberin, mit den möglichen NachfolgerInnen in einen offenen Gesprächsprozess zu gehen. Die althergebrachte Tradition, dass der Übergeber, zumeist als Patriarch etabliert, seine Nachfolgeentscheidungen im Alleingang trifft und die NachfolgerInnen erst im Rahmen einer Testamentseröffnung über die Entscheidungen informiert werden, ist nämlich in den allermeisten Fällen nicht mehr zielführend.

 

1. Ausgestaltung eines Gespräches – Moderierte Workshops

Wie soll nun ein solches Gespräch ausgestaltet sein? Ein Gespräch im Zusammenhang mit einer Nachfolgeplanung wird regelmäßig drei Bereiche der Gesprächsführung beinhalten: Moderation, Mediation und Beratung. Insbesondere das Konzept der Mediation, aber auch jenes der Beratung im Zusammenhang mit Nachfolgeplanungen ist durch zwei Prinzipien geprägt:

 

a) das Prinzip der Freiwilligkeit und
b) das Prinzip der Unabhängigkeit.

 

Aus diesen Prinzipien lässt sich die Empfehlung ableiten, dass ein/e unabhängige/r, von der Familie gewählte/r ModeratorIn die Familie bei ihrer Gesprächsführung begleitet. Unabhängig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der/die ModeratorIn selbst nicht Teil des Familien- und/oder Unternehmenssystems (siehe dazu gleich unten) ist. Die Aufgabe des Moderators/der Moderatorin besteht vornehmlich in der Begleitung von Reflexions-, Einigungs,- und Veränderungsprozessen sowie in der Vermittlung von Fachwissen und Kompetenzen.

 

2. Anlassklärung

Der Ausgangspunkt eines strukturierten Gespräches in einer (Unternehmer-) Familie ist zunächst die Offenlegung des Gesprächsanlasses gegenüber dem/der ModeratorIn. Dabei ist es hilfreich bekannt zu geben, wie groß mögliche, zu erwartende Unterschiede in den vertretenen Positionen sind, bzw. wie weit bisher bereits stattgefundene Gespräche geführt haben. Dies gibt dem/der ModeratorIn die Möglichkeit, das Gespräch gut vorzubereiten.

 

3. Von der Familie hin zur Unternehmerfamilie – System- und Selbstklärung

Die Unternehmerfamilie bezeichnet jenes System, das sich aus der Verkoppelung von Familie, Eigentum und Unternehmen als formale Organisation herausbildet. Diese Unternehmerfamilie, personell bestehend aus verwandten (zukünftigen) EigentümerInnen, soll die Funktion erfüllen, die Weitergabe/Nachfolge sowie die unternehmensbezogenen Entscheidungen zu organisieren .  

 

Das Drei-Kreis-Modell verdeutlicht hier die Verkoppelung der relevanten Systeme:

 

 

Aus der Darstellung wird klar, dass Familie, Unternehmen und Eigentum gänzlich verschiedene Systeme sind. Aus der Verkoppelung dieser Systeme in der Unternehmerfamilie resultieren Paradoxien, Dilemmata und Zwiespältigkeit. Diese gilt es zu erkennen und zunächst einmal – ohne Bewertung – anzuerkennen. Um jedoch zu einer nachhaltigen und wertschöpfenden Nachfolgeregelung zu gelangen, liegt es zunächst in der Verantwortung der InhaberInnen, einen Rahmen und ein System zu schaffen, mittels derer nachhaltiger unternehmerischer Erfolg unter den besonderen Bedingungen eines Familienunternehmens möglich wird.

 

Eine solche Familienstrategie legt fest, wie die InhaberInnen eines Familienunternehmens mit ihrer Inhaberrolle umgehen wollen, wer zum Kreis der Unternehmerfamilie gehören soll, welche Ziele sie erreichen wollen, welche Werte dabei maßgeblich sein sollen und welche Strukturen und Regeln dabei für die Organisation von Unternehmen und Familie gelten. Zu klären ist weiters, wer welche Aufgaben und Verantwortungen übernimmt, welche Maßnahmen zur Umsetzung notwendig sind und wie eine Überwachung der Einhaltung der getroffenen Maßnahmen erfolgen kann.

 

Wie eine solche Strategiefindung möglich sein kann und was dabei zu beachten ist, wird im Folgenden kurz umrissen.

 

4. Erste Gesprächsrunde – Themensammlung Familienstrategie

In der ersten Gesprächsrunde wird bereits ein Hauptthema vorgegeben sein, zu dem sich die vorab definierten TeilnehmerInnen einfinden. Für diesen Beitrag wird als Beispiel die Erarbeitung einer Familienstrategie im Rahmen einer Nachfolgeregelung herangezogen. Festzuhalten ist, dass auch jedes andere Thema in diesem Format, strukturiert besprochen werden kann.

 

In einer Familienstrategie werden von der Familie Lösungen zu einzelnen Themenkreisen erarbeitet, die auch noch für folgende Generationen in den Grundsätzen wirksam gefasst werden können. Themen in diesem Zusammenhang können sein:

 

  • Rolle und Funktion von Mitgliedern der Familie im Unternehmen
  • Veranlagungsschwerpunkte im Rahmen einer gemeinsamen Vermögensstrategie
  • Ausschüttungspolitik
  • Konfliktbewältigung und Krisenprävention
  • Werte und Ziele für Unternehmen und Familie (Unternehmerische Richtlinien)
  • sowie der Aufbau von Gesellschafterkompetenz.

 

Indem sich die Familie zu diesen (strategischen) Themenschwerpunkte austauscht, entsteht die professionelle Unternehmerfamilie. Aufgabe des Moderators/der Moderatorin ist es, die Themensammlung vorzunehmen und dann die Bearbeitungsreihenfolge sowie die Gesprächsziele zu den einzelnen Themen mit den TeilnehmerInnen zu klären. Grundsätzlich ist es empfehlenswert, dass sich die Unternehmerfamilie zu allen genannten Themen austauscht. Familienunternehmensspezifisch werden einige Themen mehr Zeit in Anspruch nehmen als andere.

 

5. Sichtweisen hören

Nachdem man eines der Themen benannt und aufgegriffen hat, werden die Sichtweisen der einzelnen Familienmitglieder gehört. In dieser Phase des Gespräches können verschiedene Ziele erreicht werden. Es kann darum gehen „gehört zu werden“, Perspektiven zu erweitern“, „Anerkennung zu bekommen“, „Verständnis zu erhalten“, „Veränderungsbereitschaft zu bezeugen“, „Recht zu haben“, oder auch „Anklage zu erheben“.

 

In jedem Fall ergeben sich in dieser Phase immer Hinweise darauf, welche Rollen, Identitäten und Zugehörigkeiten die Beteiligten für sich selbst wahrnehmen und welche sie anderen Personen zuschreiben. Hieraus können Ideen abgeleitet werden, welche Rolle die Beteiligten möglicherweise in Veränderungsprozessen, und um nichts anderes handelt es sich bei einer Unternehmensübergabe, und nach einer Veränderung, sprich erfolgter Übergabe, einnehmen könnten . Der/die ModeratorIn kann hier unterstützend darauf einwirken, dass die Familienmitglieder nicht in ihren Ursprungsrollen denken und argumentieren, sondern sich in ihren professionellen Unternehmerfamilien Rollen austauschen.

 

6. Benennung von Interessen, Bedürfnissen und Werten

In dieser „Herzstückphase“ des Gesprächs geht es darum, ein tieferes Verständnis unter den GesprächsteilnehmerInnen zu erzeugen. Dies sei anhand eines Beispiels dargestellt:

 

Position: Ich will die alleinige Geschäftsführung übernehmen. Sonst mache ich den Job nicht.
Interesse: Alleinige Entscheidungsbefugnis.
(Dahinterstehende) Bedürfnisse: Autonomie/Willensfreiheit/Sicherheit

 

Eine klare Unterscheidung von Position, Interesse und Bedürfnis stellt oftmals einen Wendepunkt in „eingefahrenen“ Situationen dar, da erstmals eine Grundlage dafür geschaffen wird, dass die betroffenen Personen sich in ihren Anliegen verstehen können. Im besten Fall entsteht eine Loslösung von bisherigen Fixierungen und die Bereitschaft, gemeinsam neue Lösungen zu finden, welche die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen (Win-win-Lösung).

 

7. Maßnahmen sortieren, bewerten und auswählen

Nachdem in der Vertiefungsphase das gegenseitige Verständnis in Bezug auf sämtliche Themen geschaffen wurde, vollzieht sich die Findung von Lösungen in zwei Schritten:

der Entwicklung von Handlungsideen sowie dem Sortieren, Bewerten und Auswählen von Maßnahmen.

 

Die Entwicklung von Handlungsideen ist dabei die kreativste Phase des Gesprächs. Das Ergebnisziel besteht darin, möglichst viele Ideen und Vorschläge zu sammeln, mittels derer die gesammelten Werte und Bedürfnisse erfüllt werden können.

Bezogen auf das Thema, sollen Maßnahmen und Handlungen genannt werden. RechtsberaterInnen als ModeratorInnen sollten sich in dieser Phase zurückhalten, da es hier wesentlich ist, dass in einer Art Brainstorming alle Arten von Ideen zunächst einmal (noch nicht bewertet) gesammelt werden.

 

Diese gesammelten Maßnahmen und Handlungen werden sodann von der Unternehmerfamilie sortiert, bewertet und ausgewählt. Es gilt jene Maßnahmen zu identifizieren, welche die genannten Bedürfnisse am besten erfüllen und zugleich vorhandene oder bereitzustellenden Ressourcen am besten entsprechen.

 

Hierbei kann die Beantwortung folgender Fragen hilfreich sein: „Für welche Maßnahme könnten Sie die meisten UnterstützerInnen begeistern?“, „Welche Maßnahmen scheinen Ihnen am erfolgversprechendsten?“, Welche Maßnahmen haben die größte Wirkung bei geringstem Aufwand, sind also hoch effizient?“.

 

Sie können sich aber auch an drei Grundsätzen der lösungsorientierten Beratung orientieren:

  1. Wenn etwas funktioniert, tue mehr davon.
  2. Wenn etwas nicht funktioniert, tue etwas anderes.
  3. Repariere nichts, was nicht kaputt ist.


Eine rechtliche Einschätzung bzw. Strukturierung kann und sollte erst dann erfolgen, wenn sich die Unternehmerfamilie auf Maßnahmen geeinigt hat. Dies erfolgt in der letzten Phase des Gesprächs.

 

8. Vereinbarungen treffen

Zum Abschluss werden die ausgewählten Maßnahmen und Ziele konkretisiert und schriftlich festgehalten. Ein wesentlicher Teil besteht hier auch darin, Formen der Überwachung und Überprüfungen festzulegen. An dieser Stelle kann es für einige Ziele und Maßnahmen notwendig sein, fachliche Beratung einzuholen, insbesondere bei der Einrichtung von BeirätInnen, AufsichtsrätInnen, der Änderung von Gesellschaftsverträgen oder dem Abschluss von arbeitsrechtlichen Vereinbarungen.

Andere Ziele werden aber auf einer Art Handschlagqualität basieren. Dies betrifft insbesondere den gemeinsamen Umgang der Unternehmerfamilie miteinander und hier insbesondere das Festhalten an und das Leben von definierten Werten und Zielen. Sowohl in der Unternehmerfamilie als auch im Unternehmen.

 

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Professionalisierung der Familie hin zur Unternehmerfamilie und das Finden einer gemeinsamen Familienstrategie im Zuge einer Nachfolgeplanung nicht in einem Nachmittagsgespräch geklärt werden kann und soll. Ist die Familie jedoch dazu bereit, sich der Herausforderung in gut vorbereiteten und strukturierten Workshops zu stellen, bildet die gemeinsam entwickelte Vorgehensweise wohl das solideste Fundament für eine Zukunft, in der Vermögen sicher, wertschöpfend und verantwortungsvoll gelebt werden kann. Denn eine großartige Unternehmerfamilie ist das Herz eines jeden großartigen Familienunternehmens.

 

Autorin: Mag. Daniela Steiner

Haftungsausschluss: Die rechtlichen Ausführungen in diesem Artikel stammen von Mag. Daniela Steiner, Schindler Attorneys, Wallnerstraße 1, 1010 Wien und erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitungen ohne Gewähr. Die Oberbank AG übernimmt für die Richtigkeit der Ausführungen in diesem Artikel keinerlei Haftung oder Verantwortung.

 

Verwendete Quellen u.a.:

H. Kleve, Die Unternehmerfamilie, Präsentation 2022
Peter May, Inhaberstrategie in Familienunternehmen, 2017
Holger Lindemann/Claude-Helen Mayer/Ilse Osterfeld, Systemisch-lösungsorientierte Mediation und Konfliktklärung, 2020
de Shazer, Dolan, Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute, 2007

 

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Dieser Artikel wurde am 10.03.2022 erstellt.

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