Das Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte

Nachhaltige Finanzprodukte sind nicht einfach zu durchschauen. Welche Kriterien werden angewendet? Entspricht das Nachhaltigkeitsverständnis eines Fonds meinen Anforderungen? Herrscht ausreichende Transparenz über die Zusammensetzung des Portfolios? Hierbei bieten unabhängige Zertifizierungen eine wichtige Hilfestellung für AnlegerInnen. Am heimischen Fondsmarkt ist das seit 18 Jahren existierende „Österreichische Umweltzeichen“ das wichtigste Qualitätssiegel.

 

Das „Österreichische Umweltzeichen“ als eines der ersten Label für Nachhaltigkeitsfonds

Eines der international ersten Label für Nachhaltigkeitsfonds war und ist das „Österreichische Umweltzeichen für Nachhaltige Finanzprodukte“. Die seit 2004 bestehende Qualitätsauszeichnung ist Teil der Umweltzeichenfamilie, dem staatlichen Österreichischen Öko-Zeichen für den Non-Food-Bereich, das für mehrere Dutzend Produktkategorien vergeben wird.


Träger ist das Österreichische Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, verantwortlich für die Administration der Verein für Konsumenteninformation. Als PrüferInnen fungieren akkreditierte ExpertInnen, die die Prüfgutachten im Auftrag der AntragstellerInnen– meist Fondsgesellschaften – erstellen. Ist das Label auf Basis eines positiven Gutachtens erteilt, gilt es für vier Jahre. In diesem Zeitraum sind nur kurze jährliche Update-Prüfungen vorgesehen. Danach ist eine volle Re-Zertifizierung erforderlich.

 

Die Anforderungen des „Österreichischen Umweltzeichens“

Das Umweltzeichen ist kein Ökogütesiegel. Die Bezeichnung ist der langen Historie der Labelfamilie geschuldet, die bis ins Jahr 1991 zurückreicht. Um diese Orientierung an Nachhaltigkeit in seiner vollen Breite zum Ausdruck zu bringen, lautet die vollständige Bezeichnung „Österreichisches Umweltzeichen für Nachhaltige Finanzprodukte“.


Die Anforderungen für Investmentfonds umfassen die Bereiche (1) Anlagekriterien (Ausschluss- und Positivkriterien, Methodik), (2) Research-Prozess, (3) Transparenz, (4) Investment-Qualitätsstandard und (5) Legal Compliance.


Unter (1) fallen Pflicht-Ausschlusskriterien, die der Fonds jedenfalls implementiert haben muss. Für Aktien und Unternehmensanleihen sind dies die Ausschlüsse von Rüstung, Atomenergie, roter und grüner Gentechnik, fossiler Energie (jeweils mit maximal 5% Umsatztoleranz) sowie Menschenrechtsverletzungen. Investiert der Fonds auch in Staatsanleihen, sind auch folgende Ausschlusskriterien anzuwenden: Verletzung von Grundrechten betreffend Demokratie und Menschenrechten, Anwendung der Todesstrafe, Militärbudgets über 4% des BIP, expansive Politik hinsichtlich Atomenergie sowie keine Teilnahme am Pariser Klimaabkommens und der UN-Biodiversitätskonvention. Jenseits der Ausschlusskriterien hat das Umweltzeichen den Anspruch, dass ein umfassender positiver Auswahlprozess existiert, in den alle wichtigen Umwelt- und Sozialaspekte eingehen. Hier ist der Gestaltungsspielraum der AntragstellerInnen groß, und es werden sowohl breite Best in Class Ansätze gewürdigt wie auch thematische fokussierte Strategien z.B. in erneuerbare Energie oder Gesundheit. Wichtig dabei ist jedoch, dass die daraus gewonnenen Ratings zu einer ambitionierten Titelauswahl führen, z.B. indem nur überdurchschnittlich bewertete EmittentInnen ins Portfolio gelangen oder auf Portfolioebene ein anspruchsvolles Durchschnittsrating definiert ist.


Die Anforderungen an (2) den Research-Prozess sind durch Nachweis eines State of the Art Qualitätsmanagements der internen oder externen Research-Organisation zu erfüllen. Die (3) Transparenzkriterien umfassen eine Publikation gemäß dem Eurosif-Transparenzkodex, eine monatliche Veröffentlichung der gesamten Fondsbestände sowie die Publikation von ESG-Profilen ausgewählter EmittentInnen. Hinsichtlich (4) Investment-Qualität ist die Verpflichtung gegenüber dem Code of Conduct des Österreichischen Fondsverbandes VÖIG oder gegenüber einem adäquaten ausländischen Kodex nachzuweisen. Hinsichtlich (5) Legal Compliance ist nachzuweisen, dass das antragstellende Unternehmen in seiner Geschäftsgebarung die Prinzipien der Nachhaltigkeit nicht durch Rechtsbrüche konterkariert.

 

In 18 Jahren von 0 auf über 200

Die Entwicklung des „Österreichischen Umweltzeichens“ spiegelt die Entwicklung des ESG-Marktes insgesamt gut wider. Einem eher stagnierenden Zuspruch bis 2011/2012 folgte in den vergangenen zehn Jahren ein rasanter Anstieg. Nach dem 100. Produkt Anfang 2019 folgte bereits im August 2021 das Finanzprodukt Nummer 200 und aktuell (Stand Mai 2022) liegt die Zahl bei rund 220.

 

Finanzprodukte mit Umweltzeichen

Quellen: VKI, rfu © 2021

 

Mehr als nur ein österreichisches Label für PrivatanlegerInnen

Aus Sicht der ProduktanbieterInnen ist das Umweltzeichen auch kein Label für Österreich allein. Rund ein Drittel aller ausgezeichneten Wertpapierfonds ist im Ausland domiziliert – vor allem in Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Eine ursprüngliche nicht erwartete Bedeutung hat das Label bei institutionellen InvestorInnen, insbesondere bei Vorsorgeeinrichtung, erlangt. Diese nutzen die Umweltzeichenprüfung als Anforderung gegenüber externen ManagerInnen ihrer Spezialfonds.

 

Erweiterung um neuen Produktkategorien: Konten, FLV, Green Bonds, etc.

Während das Label ursprünglich nur für Wertpapierfonds erlangbar war, wurde – der Marktnachfrage folgend – die Umweltzeichen-Richtlinie im Laufe der Zeit sukzessive um Prüfkriterien für weitere Produktgruppen ergänzt. Auch wenn heute immer noch Aktien-, Anleihen- und Mischfonds dominieren, waren zuletzt vor allem Giro- und Sparprodukte sowie fondsgebundene Lebensversicherungen stark im Kommen.

 

Was steht hinter der Erfolgsgeschichte?

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Umweltzeichen zu einem der erfolgreichsten ESG-Auszeichnungen Europas gemacht haben.

 

  • Dazu zählen sicher die staatliche Trägerschaft, mit dem damit verbundenen hohen Vertrauensgrad und der Sicherstellung einer hohen Qualität.
  • Auch die Zugehörigkeit zu einer großen Labelfamilie ist vorteilhaft, da der Bekanntheitsgrad durch die Bewerbung anderer Produkte mittransportiert wird.
  • Auf organisatorischer Seite sprechen die lange Laufzeit von vier Jahren und die Möglichkeit einer jederzeitigen Antragstellung eine wichtige Rolle. Viele Fonds scheuen repetitive jährliche Prüfprozesse in festen Terminkorsetts.
  • Das Umweltzeichen ist offen für verschiedene Finanzprodukte vom Fonds über die fondsgebundene Lebensversicherung bis zum Sparbuch. Die Anregungen der AnbieterInnen werden aufgegriffen und gehen in neue Sub-Richtlinien ein.

 

Die Zukunft des Umweltzeichens im europäischen Labelkonzert

Eine vielfach kritisierte Labelflut ist in der Welt der ESG-Fondsauszeichnungen eindeutig nicht gegeben. (Vieles wie z.B. ESG-Ratings von Finanzdatenprovidern sind keine Label, sondern nur Momentaufnahmen von Portfolios). Auch wenn europaweit eine wachsende Anzahl an Fondsauszeichnungen existiert, so sind doch nur zwei davon – neben dem Umweltzeichen das FNG-Siegel – für den deutschsprachigen Markt von Relevanz.


Und auch ein im Entstehen begriffenes EU Ecolabel für Fonds raubt dem „Österreichischen Umweltzeichen“ nicht seine Vorzüge oder gar die Existenzberechtigung. Die thematisch vielfältige und praxisnahe Ausrichtung und die besondere Berücksichtigung eines anspruchsvollen mittel- und nordeuropäischen Verständnisses von Nachhaltigkeit, werden durch eine europaweite und aus der Regulatorik abgeleitete Konzeption kaum erreicht werden.


Autor: Reinhard Friesenbichler, rfu Unternehmensberatung, Spezialist für Nachhaltiges Investment und Management, Entwicklung und Betreuung der Nachhaltigkeitsindizes VÖNIX an der Wiener Börse.
Weitere Infos zum Österreichischen Umweltzeichen

 

Die Angaben gemäß § 25 Mediengesetz finden Sie unter folgendem Link: https://www.oberbank.at/aktionarsstruktur

 

Dieser Artikel wurde am 30.06.2022 aktualisiert.

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Reinhard Friesenbichler

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