16.11.2023 ‐ Eventnachbericht

Steiniger Weg zur Energiewende

Um nichts weniger als um eine unserer Existenzgrundlagen ging es beim gut besuchten Energie-Forum im Oberbank Donau-Forum. Einen profunden Ausblick in die Energie für die Zukunft boten zwei führende Energie-Manager aus Deutschland und Österreich.

Im Bild (v.l.n.r): Oberbank-Generaldirektor Dr. Gasselsberger, Andreas Schell, Mag. Susanne Dickstein, Mag. Dr. Michael Strugl und Dipl. Ing. F. Peter Mitterbauer

 

Sorge um Teuerungen und Wettbewerbsnachteile

Generaldirektor Franz Gasselsberger gab vor allem zu bedenken, dass von den Steigerungen der Energiekosten in Europa ganz besonders Oberösterreich als Industriebundesland Nummer Eins betroffen sei. Der daraus resultierende Wettbewerbsnachteil führte zum Rückgang der Produktion um 4 Prozent. Was dagegen zu tun sei? Zuerst müsse der Faktor Arbeit entlastet werden, um die Bereitschaft der Arbeitnehmer:innen zu mehr Arbeitsstunden zu erhöhen. Ebenso waren dem Gastgeber die Subventionen der Strompreise ein Dorn im Auge:

Subventionen sind maximal als Krisenintervention akzeptabel. Langfristig wird die Sicherheit der Energieversorgung mit sauberer und nicht-russischer Energie entscheidend sein. Auch muss sich die EU besser vor Billigimporten schützen.

Gasselsberger zeigte sich aber wie die Unternehmen bei Umfragen optimistisch, die Talsohle erreicht zu haben.

 

Herstellen des Gleichgewichts

Peter Mitterbauer, Vizepräsident der Industriellenvereinigung OÖ, sah es als wichtigste Aufgabe, Klimaschutz, Energiewende und Wettbewerbsfähigkeit miteinander in Einklang zu bringen – und zwar weltweit. Problematisch sei es, dass sich die Energiekosten unseres Landes als Exportnation auf das Doppelte bis Dreifache der USA belaufen. Beim Umstieg auf erneuerbare Energien sei zum Beispiel die mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung (Ja zur Windkraft, aber nicht in meiner Nähe!) ein Hindernis.

Ins gleiche Horn stieß Susanne Dickstein, Chefredakteurin der OÖ Nachrichten: Um die Wende herbeizuführen, sei ein Schulterschluss aller nötig und die Gegensätze im Spannungsfeld „Kunden-Industrie“ auszubalancieren.

 

Licht aus. Was dann?

Diese Frage stellte Michael Strugl, Vorstandsvorsitzende des Verbunds, an den Anfang seines Vortrags. Bis vor einigen Jahren noch versorgungstechnisch wie auf einer Insel der Seligen, beschäftigten uns seit Beginn des Ukraine-Kriegs folgende Fragen: Wie ist Energie nachhaltig zu erzeugen, bezahlbar zu gestalten und Versorgungssicherheit zu gewährleisten? 24 Stunden und 7 Tage die Woche seien Stromerzeuger darum bemüht, einen Ausgleich zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch zu schaffen. 2022 waren diesbezügliche „Redispatch“-Maßnahmen an 273 Tagen vorzunehmen, um Überlastungen der Stromnetze zu vermeiden. Die Strom-Dekarbonisierung erfordere hierzulande mit 70 Terrawatt eine gigantische Menge an Grünstrom, die bis 2030 auf 100 gesteigert werden soll. Dieser gewaltige Transformationsprozess bedinge aber eine dreifache Kapazität, weil etwa Windräder und Fotovoltaik weit weniger als fossile Kraftwerke produzieren können. Zusätzlich werden noch Gaskraftwerke und Exporte zur Deckung des Bedarfs benötigt. Beim Ausbau der Netze und Speicher werden wir aber an unsere Grenzen stoßen. Die Spielverderber: Lange Verfahren, fehlende Flächen, ein Gegen- statt ein Miteinander (Länder versus Bund versus Gemeinden) und Import-Abhängigkeiten. Strugl forderte eine Entkoppelung von Gas- und Strompreis, mehr Taten statt Worte, weniger Reflexe und mehr gemeinsames Handeln. Der Verbund investiere 1,7 Milliarden Euro ins Netz, 1,2 Milliarden Euro in Wasserkraft und 1,1 Milliarden Euro in neue erneuerbare Energiequellen. Sein Unternehmen habe als Ziele festgelegt: Jede Kilowattstunde Strom zu erzeugen, die es erzeugen kann; jede erzeugte Kilowattstunde Strom zur Verfügung zu stellen, wenn sie und wo sie gebraucht wird.

 

Großer Umbau steht bevor

Andreas Schnell, Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg, berichtete von analogen Herausforderungen und Ausbauplänen für die deutsche Energiewirtschaft. Was unterscheidet nun Deutschland von Österreich? Unser Nachbarland verzeichne schon deutlich größere Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energiequellen wie etwa im Bereich Wasserstofftechnologie. Bis 2018 konnte man beide Länder als gemeinsame Strompreiszone betrachten, heute machen der Alpenrepublik teure Zukäufe unter anderem aus den USA zu schaffen. Allerdings strich Schnell die intelligenteren Kundentarife in Österreich heraus. In beiden Ländern gäbe es einen immensen Investitionsbedarf in die Übertragungs- und Verteilnetz-Infrastruktur und stehe auch der Kohleausstieg ganz oben auf der Agenda.

 

Von der Strategie zur Verwirklichung 

Den Schlusspunkt bildete der Talk unter der Moderation von Elisabeth Eidenberger. Hier war sich die Expertenrunde einig, dass permanente Eingriffe in den Markt zu unterlassen seien. Die Transformation sei nicht in erster Linie von der Strompreisfrage abhängig, sondern benötige ein standort- bzw. industriepolitisches Gesamtkonzept. Andreas Schell präsentierte eine eingängige Metapher, die die Herausforderung hinsichtlich der Energiewende verdeutlichte: Der Ausbau einer zwei- zu einer dreispurigen Autobahn – in einem Tunnel. Strugl machte klar, dass 60 Milliarden Gesamtkosten nicht vom Staat, sondern letztlich vom Kunden zu bezahlen seien. Leider habe es Österreich bis dato nur zu einem Strategiepapier ohne die Perspektive konkreter Umsetzungsschritte und Finanzierungszusagen geschafft. Da sei Deutschland schon weiter.