29.08.2023 ‐ Finanzmarkt aktuell

Zinssenkungen in Sicht oder doch higher for longer?

Wie alle warten wir gespannt auf die nächsten Entscheidungen der Notenbanken. Stehen baldige Zinssenkungen bevor oder sind wir doch am Anfang einer länger anhaltenden Phase mit relativ hohen Zinssätzen? Eine genaue Betrachtung der an Finanzmärkten gehandelten Erwartungen und die Komponenten der Inflation können uns näher an die Antwort führen.

Lange Zeit haben sowohl die Fed als auch die EZB Anlegern kommuniziert mit ihren Kompetenzen die Inflation in Schach halten zu können. Die Markterwartung war jene einer schnell vorübergehenden Phase der hohen Inflation und eine Rückkehr zu den gewohnten, niedrigen Zinssätzen. Inzwischen haben die Notenbanken die Leitzinsen kräftig erhöht und der Zinsgipfel scheint nahe. Mehr als eine weitere Zinserhöhung im Herbst und selbst diese ist fraglich, wird weder von der Fed noch von der EZB erwartet.  Am Ende eines Zinserhöhungszyklus kommt unweigerlich die Frage nach den ersten Zinssenkungen auf. Doch wann ist mit diesen zu rechnen?

 

Betrachtet man die Erwartungen der Zinsentwicklung im Zeitverlauf, zeigt sich ein sich wandelndes Bild. Waren Zinserhöhungen zu Beginn 2022 noch kein Thema, war der Zinserhöhungszyklus zu Beginn des aktuell Kalenderjahres bereits voll im Gange und der Markt sah das Leitzinshoch im Juli erreicht. Dieses Bild verschob sich bis heute erneut  und zeigt, dass eine Senkung der Zinsen doch nicht so rasch erfolgt, wie ursprünglich gedacht. Die aktuell gehandelten Zinserwartungen gehen von einem Zinshoch im Herbst 2023 aus und Zinssenkungen sind für 2023 ausgepreist (Abbildung 1).

 

Zinserwartungen und EZB Einlagezins

 

Grundlage für eine Zinssenkung ist bekanntlich ein nachhaltiger Rückgang der Teuerung. Auch wenn die Inflationsrate im Euroraum sich letztlich reduziert hat, befindet sie sich weiterhin deutlich über den angestrebten 2%. Besonders hartnäckig erweist sich die Kerninflation, welche nicht von starken Basiseffekten im Bereich Energie profitiert. Bei der Kerninflation hat sich zwar der Anstieg abgeschwächt, von einer nachhaltigen Gegenbewegung fehlt aber noch jede Spur (Abbildung 2).


Geldpolitik wirkt in der Regel mit einer wesentlichen zeitlichen Verzögerung. Dies war in Zeiten niedriger Inflation nicht anders und ist vor allem an der expansiven Notenbankpolitik der vergangenen Jahre erkennbar. Die Notenbanken stehen aber auch vor der Schwierigkeit, dass sie mit dem einfachen Mittel der Zinserhöhung einer doch komplexen Teuerung gegenüberstehen und es durchaus Argumente gibt die für eine längere Phase erhöhter Inflation sprechen.

 

1. Konjunkturelle Widerstandsfähigkeit

Aller Bemühungen der Notenbanken die Konjunktur zu bremsen und der heraufbeschworenen Rezessionsgefahren im dies- und jenseits des Atlantiks zum Trotz brummt der Konjunkturmotor noch. Vor allem in den USA ist von einer Rezession keine Spur. In Europa hat sich das Bild nur soweit gedreht, dass die Peripherie die Staaten Kerneuropas bei der wirtschaftlichen Entwicklung übertrifft.

 

2. Deglobalisierung & Protektionismus

Mit der globalen Coronapandemie hat es begonnen und der Krieg in der Ukraine hat die Entwicklung nochmal beschleunigt. Viele Produktionsstätten werden wieder aus fernen Billiglohnländern in die geographische Nähe der Hersteller geholt, was zu höheren Kosten führt. Erschwerend hinzu kommt der zunehmende Protektionismus, was als Handelshemmnis die Kosten steigert.

 

3. Arbeitskräftemangel
Unter anderem bedingt durch den demografischen Wandel sind Arbeitskräfte knapp und die Arbeitnehmer verfügen in den Lohnverhandlungen über eine beachtliche Stärke. Dies spiegelt sich nicht nur in den vergangen Lohnabschlüssen wider, sondern ist davon auszugehen, dass die Kräfteverhältnisse auch bei den nächsten Lohnrunden anhalten werden. Der zu erwartende weitere Lohndruck wirkt sich vor allem in westlichen Dienstleistungsgesellschaften wesentlich auf die Teuerung aus.

 

4. Verlagerung in nachhaltige Energiequellen

Die durchaus erfreuliche und auch notwendige Entwicklung hin zu grüner Energie verdrängt die günstigen aber auch umweltschädlichen Energieträger Gas, Kohle und Öl was mittelfristig zu erhöhten Energiekosten führt.

 

5. Fiskalpolitik
Während die Notenbanken versuchen die Konjunktur zu bremsen, wirken viele Staaten mit einer expansiven Fiskalpolitik genau dem entgegen. Somit wird die Wirkung der Notenbankpolitik zumindest zu einem Teil von den einzelnen Mitgliedsstaaten torpediert.

 

Nachdem es nun wie eben angeführt durchaus Argumente gibt, dass die Inflation weiter hartnäckig bleiben wird, stellt sich die Frage was sich aus den nackten Zahlen der Marktdaten ableiten lässt. Ein gutes Maß hierfür ist der 5Y5Y Inflation Swap Forward. Dieser Forward leitet sich aus den Inflationsswaps*  ab (2 * 10Y Inflation Swap – 5Y Inflation Swap) und zeigt die gehandelte Inflationserwartung in fünf Jahren für fünf Jahre. Dieser genannte Forward steigt auch seit Jahresbeginn stetig an und hat Mitte August mit 2,63 sein vorläufiges Hoch erreicht. Aktuell steht das Barometer bei 2,59 und signalisiert somit, dass der Markt die Erwartung handelt, dass die Inflation in fünf Jahren und für die nächsten fünf Jahre die Inflation über zwei Prozent sieht.

 

Somit ist festzuhalten, dass selbst wenn ein ausreichendes Leitzinsmaß für die Bekämpfung der Inflation erreicht ist, kann es durchaus sein, dass das Zinsniveau auch länger restriktiv hoch gehalten werden muss um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.

 

Inflationsentwicklung Eurozone

 

Aufgrund der aktuellen Indikatorenlage ist nicht mit einem raschen Umschwenken der Notenbanken zu rechnen. Der Gipfel scheint zwar nahe aber aktuell sieht es eher danach aus als würden sich die Notenbanken auf das Mantra „higher for longer“ einstimmen.

 

*Inflationsswaps sind Derivate bei denen das Inflationsrisiko von einem Vertragspartner durch inflationsbasierte Cashflows übertragen werden kann.


Foto: Eric Krügl

 

Autor:

Nils Göstason, BSc

Treasury und Handel, Oberbank AG

 

Hierbei handelt es sich um eine Marketingmitteilung. Es handelt sich bei den angegebenen Werten um Vergangenheitswerte. Zukünftige Entwicklungen können davon nicht abgeleitet werden.

 

Diese Unterlagen dienen lediglich der aktuellen Information und basieren auf dem Wissens-stand der mit der Erstellung betrauten Personen zum Erstellungszeitpunkt. Diese Unterlagen sind weder Angebot noch Aufforderung zum Kauf oder Verkauf der hier erwähnten Veranlagungen bzw. (Bank-)Produkte. Sämtliche in diesem Dokument enthaltenen Aussagen sind nicht als generelle Empfehlung zu werten. Obwohl wir die von uns beanspruchten Quellen als verlässlich einschätzen, übernehmen wir für die Vollständigkeit und Richtigkeit der hier wiedergegebenen Informationen keine Haftung. Insbesondere behalten wir uns einen Irrtum in Bezug auf Zahlenangaben ausdrücklich vor. Die Angaben gemäß § 25 Mediengesetz finden Sie unter diesem Link